Dienstag, 26. Juli 2011

Balada Triste de Trompeta - The Last Circus (2010)


ALEX DE LA IGLESIA´s "INSPAIN CLOWN POSSÈ"
EINE ANALYSE IN VIER "SPRECHKÄSEGEFÜLLTEN" AKTEN

AKT I:
ARBEITEN EINES CLOWNS

Wie ein Clown in Birkenstock (Schuhgröße 48,5!°) komme ich gerade aus meinem Wohnzimmer  (das am Wochenende auch meist einer Zirkusarena gleichkommt) gewackelt um euch mit einem lachenden und einem weinenden Auge von Alex de la Iglesias neuester Vorführung zu berichten.
Iglesia war Ende der 90er und vorallem im Videotheken-Sektor "everybodies darling" nachdem er mit "Action Mutante" einen geradezu rebellischen Einstand geleistet hatte.
Schnell war er der passionierte Comiczeichner als eine Art "spanischer Tarantino" in aller Munde und dieses Brandmal schien ihm  augenmerklich zu gefallen, versäumte er es doch kein einziges Mal, sich in allen seiner Werke, beim
"amerikanischen Meister des Sprechkäses" ("the american maestro of speak-cheese")      
in absolut jeder Hinsicht anzubiedern.

"I want YOU to babble ME a nice, fat speak-cheese sandwich
with an extra fat layer of double-dialogue on top!
NOW SPEAK!"
Flotte Dialoge, schräge Charaktere und eine Portion überzeichnete, comicartige Gewalt waren meist die Merkmale seines filmischen Outputs.
Mit "Perdita Durango" trieb er es dann in jeder Hinsicht auf die Spitze und schuf den wohl europäischten aller Tarantino-Klone. Als Dank gab es dafür mal wieder 2 spanische Goyas die bei ihm mittlerweilen aus dem Schrank quellen dürften.
Da alle seine Filme in Spanien große Erfolge waren klopfte auch bald der Größenwahn an seinen Sombrero als er gerade unter einem schattigen Olivenbaum Siesta hielt.

Mit "The Oxford Murders" verpflichtete er Michael Caine und Elija Wood um die beiden in einem hochgestochenen Thriller herumphilosophieren zu lassen, was am Ende jedoch niemand ausser seiner enttäuschten Fanbase zu Kenntnis nahm (und vielleicht noch einige masturbierende Mädels da sich der Oberhobbit hier hauptsächlich durch eine Nacktszene auszeichnen konnte..).

"The Oxford Murders" hatte vorallem ein Problem:
Iglesia versuchte hier verzweifelt ein ernstes, erwachsenes Werk abzuliefern das aber in keiner Szene auch nur ansatzweise den kindischen Charme seiner vorrangegangenen Lausbubenstreiche verströmte.
Scheinbar gekränkt verkündete er das sich sein nächster Film mit spanischer Vergangenheitsbewältigung auseinandersetzen würde. Dem Franco-Regime und dessen Auswirkungen auf eine junge Liebe, Spanien und dem großen Ganzen. Größenwahnsinniges "Opus Magnus" ick hör dich trabsen!
Wenn man so etwas hört färbt sich der  "Bedeutungsschwangerschaftstest" natürlich moosgrün.
Schuster bleib bei deinen Leisten!
 
Und dann das:
Als der Film schließlich 2010 auf den Filmfestspielen in Venedig seine Premiere feierte wurde er für mit den silbernen Löwen für die "beste Regie" ausgezeichnet.
Nachdem man sich ungläubig die Augen ausgewischt hatte um nocheinmal hinzusehen wurde auch schnell klar warum dem so war.
In der Jury hatte es sich ein alter Bekannter bequem gemacht.
Quentin Tarantino schien sich sichtlich geschmeichelt zu fühlen angesichts Iglesias jahrelanger Arschkriecherei und belohnte diesen letztendlich für all die Anstrengung und Drecksarbeit mit dem silbernen Löwen.


"Mein Schatz, mein Schatz!
Möge mein Mundschädel die Macht des Sprechkäsedialogs empfangen,

die von Meister Quentin auf dieses heilige Totem-Tier übertragen wurde!"

Mit sprechkäsegesäumten Lobpreisungen des Meisters und einem hervorragenden Trailer ausgestattet
brachte es der Streifen fertig die Vorfreudethermometer der Netz-Community zum Erglühen zu bringen.

Wer sich so tief bückt um seinem Gebieter ein leichtes, unbeschwertes Eindringen in den Anus zu ermöglichen hat doch wirklich ein Happy-End verdient, oder?



Das seltsame Phänomen des "Clown-Syndrom" ist noch weitgehend unerforscht:
Menschen die darunter leiden verlieren ihre persönliche modische Stilsicherheit
und jeglichen Sinn für Humor, was sie dann natürlich
jähzornig, reizbar und äußerst aggresssiv macht...



AKT II:
ABLICHTEN EINES CLOWNS
oder DIE 4367 PERÜCKEN DER OPULENZ

Zunächst einmal kann Entwarnung ausgesprochen werden.
Die große historische Vergangenheitsbewältigung bleibt fast gänzlich aus.
Zwar wird dieser Kuchen  angeschnitten, aber vom übergewichtigen Regisseur schon ratzeputzekahl aufgefressen bevor das erste Stück auch nur ansatzweise den Rand des Gehirntellers der Zuschauer erreicht.
Alle Diabetiker und Franco-Faschisten können also erleichtert ausatmen.
Cholesterinkranke bekommen jedoch den Gnadenschuß.
Iglesias nutzt die Thematik des Spaniens unter General Franco lediglich versatzstückartig um damit sein Anarcho-Alegria-Paella  mit genug Metaebenen-Pfeffer anzureichern, in der Hoffnung die Schärfe möge unsere Geschmacksnerven lähmen.

Diese Assoziations-Allegorie die er im Vorspann versucht mit aller Macht auf die Spitze zu treiben, hat jedoch durchaus ihre propagandistischen Vorzüge:
Hier wird zu Marschmusik und spanischen Matadorgesängen eine popkulturelles Brainstorming heruntergerattert, das selbst Andy Warhol die Haare zu Berge hätte steigen lassen. Da werden scherenschnittartige Franco-Collagen mit Frankenstein und den Beatles sowie Hinrichtungsbildern zu einem anarchistischen Anachronismus par excellence verquickt. 
Augenscheinlich will Iglesia hier wirklich das "Große Ganze" abstecken.
"Du verrückter, alter Bastard!", denkt man sich da nur und ist ernsthaft beeindruckt und trotz anfänglicher Skepsis sogar begeistert.
Die ersten Bilder der Vorgeschichte in der, der Clown gespielt von Santiago "Torente" Segura  unfreiwillig in die Schlacht mit Francos Rebellen verstrickt wird, sind vorallem eins:
Wildes und pompöses Ausstattungskino mit Hang zur großen Geste und (wie sollte es anders sein) cartoonesk-übertriebener Gewalt...
Dies sorgt vorallem im Prolog für einige denkwürdige Leinwandmomente die einem wirklich das Gefühl vermitteln hier möglicherweise Zeuge eines wahren Meisterstücks zu werden.
Wir befinden uns im Jahre 1937 und Spanien steckt mitten im Bürgerkrieg.
Die faschistischen Rebellen (die Bösen) sind auf dem Vormarsch um die Regierung zu stürzen.
Deswegen wird die spanische Zivilbevölkerung zwangsrekrutiert um sich der Übermacht Francos zu erwehren. Da hält einem die Vergangenheit gleich mal den Spiegel vor.
Werden arbeitslose Blogger und die restliche deutsche journalistische Bohemé etwa auch in naher Zukunft bundeswehraufstockender Maßnahmen zum Opfer fallen?
Mich fröstelt bei diesem Gedanke.
Auch vor der Zirkusbelegschaft wird hier nicht halt gemacht und Segura wird mit seinen Kollegen an die Front gestellt mit nichts anderem als einer Machete bewaffnet und "still in drag".

Der kriegsgeile CoI. Enrique Lister gibt den Artisten einen Crashkurs in Sachen Party-Patriotismus und psychotischer Kriegsführung.
Umziehen ist nicht! Hier wird ordentlich aus der Tarantino-Mottenkiste zitiert bzw. dialogisiert:

CLOWN:
"Can I change cIothes?
"
COLONEL:
"No! A cIown with a machete...
You'II scare the shit out of them!
"
Kurz darauf brechen die Rebellen durch die Barrikaden und die letzte Bastion wirft sich ihnen wacker und todesmutig entgegen.
Die Inszenierung dieses kriegerischen Auftakts gibt schon mal die Marschrichtung vor:
Ausstattungstechnisch wird hier jedes Register gezogen.
Materialschlacht und Krawallkostümierung gehen hier Hand in Hand.
Auch behält der Col. Recht. Die Bilder vom macheteschwingenden "hack n´slaying" Clown und dessen aufgeschminkte, blutrauschverzerrte Grimasse gehören wohl zu den einprägsameren Bildern die Kino hervorbringen kann.
Die Intensität der Schlacht erinnert an Spielbergs "Saving Privat Ryan" mit dem Unterschied das Tom Hanks dort den wahrlich dümmeren Clown abgegeben hat .

Wenn Filmemacher ihre Bilder bei anderen Filmemachern "clown" entstehen lustige, popkulturelle Verweise die ihre Vorbilder in völlig anderen Licht erscheinen lassen:
Das Steven Spielbergs "SAVING PRIVATE RYAN" bspw. ein absoluter Witz ist,
sollte dem Betrachter eigentlich auch ohne dieses Bild klar werden!


Francos Schergen sind jedoch in der Übermacht und dezimieren den Widerstand restlos.
Die sofortige Hinrichtung bleibt dem überlebenden Clown erspart. ringt doch die beispielslose Schlachtplatte, die er unter seinen Gegnern hinterlassen hat dem faschistischen Teamleiter den nötigen Respekt ab, so dass dieser ihm das kleinere Übel gewährt. Lebenslang im Arbeitslager!
Eine Strafe die für den Siesta-liebenden Spanier weitaus schlimmer ist als der Tod.
Dort bekommt Papa-Clown Besuch von seinem besorgten Sprössling Javier, und ein klein wenig Zeit die Vater-Sohn Beziehung für den Zuschauer emotional auszubauen.
Der Berufswunsch des Sohnes wird allerdings im Keim erstickt.
Um ein "lustiger Clown" zu werden fehle ihm doch die nötige Lebenserfahrung.
Wer in Kriegszuständen ohne Mutterliebe aufwächst und immer nur Gewalt und Leiden zu Gesicht bekam,  hat nur eine Karriereoption: Sein Los ist es für ewig den "traurigen Clown" zu spielen. Der Junge mag sich damit jedoch nicht abfinden.
Wie soll man denn als trauriger Clown jemals geliebt werden?
Der empörten Frage haftet schon jetzt eine abgrundtiefe Verzweiflung an welche den Knaben mehr denn je für diesen Job prädestinieren würde.
Bei einer solchen Dramatik kommen auch mir fast die Tränen denn auch meine Mutter predigte mir ständig wenn ich mal wieder über das liebe Leid mit den Frauen klagte:
Wer jeden Tag ein solches Gesicht zieht der bekommt freilich kein Mädel ab!
Die Endgültigkeit seines Schicksals die ihm Papa prophezeit ist für den Sohn ein Schlag ins Gesicht weswegen ihn sein Alter eine zusätzliche (vom pädagogischen Wert jedoch äußerst fragwürdige) Alternative, mit auf den Weg gibt:

"Ease your pain with revenge!"

Rache? Aus den koreanischen Filmen der jüngsten Vergangenheit haben wir doch alle gelernt das Rache niemals die Lösung sein kann! Sie macht alles nur noch schlimmer.
Same here.
Aber dazu später mehr...

AKT III:
ABRICHTEN EINES CLOWNS
oder "BITCH to the FUTURE"...
 Zeitsprung....WOOOSH!...und schon befinden wir uns im Jahre 1973.
Hier wird kräftig an der Zeittafel gedreht denn ein Zifferntausch ist wirkungsvoller als jeder Flux-Kompensator.
Aus 1937 wird 1973 und seltsamerweise sieht unser Held  Javier, der mittlerweilen Ende 40 sein müsste, aus wie ein leicht fülliger Mittzwanziger (und auch ein klein wenig wie Andy Kaufman). Ob dies die Absicht des Regisseurs war ist stark anzunehmen denn bei einer hippen Ausstattungsorgie dürfen natürlich die schrillen 70er nicht fehlen.
Apropos Ausstattung:
Zum fröhlichen Regieringelreihen gesellt sich nun auch Alexander Jodorowsky hinzu, aus dessen "SANTA SANGRE" jetzt reichlich zitiert, kopiert und visualisiert werden darf.
Nicht nur der Zirkus, in welchem die weitere Geschichte spielt, scheint haargenau  aus dem surrealistischen Meisterwerk, des beliebten argentinischen Verwirrten entnommen zu sein, sondern auch dessen angehörige Artistentruppe.

Diese ist ein illustrer Haufen aus den üblichen Stammschauspielern unseres spanischen Superbullen. Javiers vorprophezeites Schicksal hat sich (nach läppischen 36 Jährchen) schlussendlich bewahrheitet:
Er hat den Arbeitsvertrag als trauriger Clown in der Tasche!

"Veronika, die Opulenz ist da..., Statisten singen Tralala...,
das ganze Set ist wie verhext..., Veronika, das Budget wächst!"


Diese Rolle meistert der Schauspieler Carlos Areces mit überzeugter, welpenblickender milchbübischer Mimik. Den Rest erledigt das Clown-Makeup.
Mit einigen Kamerakreiseln- und Frivolfahrten stellt uns Iglesia die restliche Artistentruppe vor, die allesamt aus komödiantischen Knallchargen zu bestehen scheint.
Ihr unsäglichster Vertreter ist eine stuntmotorradfahrende "Evil Knievel" Nervensäge, die ständig an der Feinjustierung sowohl ihres Antriebs als auch  ihrer eigenen Überflüssigkeit arbeiten muß.
Wäre das Drehbuch ein klein wenig gnädiger würde ihr das auch gelingen, doch leider wird ihr vom Drehbuch der Diplomatenstatus  als "Running-Gag-Gecke" verliehen und so darf sie (in nur 107 Minuten Spielfilmlänge) gefühlte 150 Mal vollmotorisiert an die Wand krachen. Fast am Ende einer jeden Szene sieht man das Mofa samt Fahrer gegen jegliche Art von Barriere knallen! Der kreative inszenatorische Esprit dieser Szenen winkt dabei stets mit einem Zaunpfahl auf dem irgendein Kunstkrawallschnitzer die Worte "Jean Pierre Jeunet´s verträumt-marode Märchenwelt" eingraviert hat!
Der verträumte Peter Pan des französischen Kinos darf hier also auch noch Pate stehen.

Hier wird also schamlos mit dem K.K.K.K. (Kreativ-Kino-Kasperla-Kreisverband) sympathisiert in dem Iglesias nach diesem Ausfluss durchaus Ehrenmitgliedstatus geniessen dürfte.Nun bekommt der geduldige (bereits gereizte aber immer noch leicht zu begeisternde) Zuschauer einen der Lichtblicke in dieser Nummernrevue serviert:
Auftritt Sergio! Seines Zeichens misogyner, frauenmisshandelnder, hasserfüllter, psychotischer, alkoholabhängiger, aggressiver und misantrophischer Soziophat und gleichzeitig auch der "lustige" Clown der vom Publikum und den Kindern abgöttisch geliebt wird. Er ist der einzige Grund warum das ranzige Zirkuszelt überhaupt noch Besucherzahlen verbuchen kann und darf auch den denkwürdigsten One-Liner des ganzen Films zum Besten geben.

Manchmal ist ein feiner One-Liner und ein klein wenig
Eye-Liner alles was es braucht...

Antonio de la Torre gibt den assozialen Fiesling derart überzeugend, dass die schauspielerische Blässe der restlichen Belegschaft, doppelt so stark zu Tage tritt.
Wenn dieser Kerl, sturzbesoffen aber beherrscht, aus seinem schier unerschöpflichen Reportoire aus Totgeburtenwitzen einen zum Besten gibt, scheint die restliche cinematographische Zeit still zu stehen.
In diesen Momenten scheint der "Zauber des Kinos" schier greifbar zu sein.
Leider bewahrheitet sich kurze Zeit später eine der grausamsten, altklugen Lebensweisheiten die mir je von meiner Oma mit auf den Weg gegeben wurde.Diese pflegte stets zu sagen:
"Nach Lachen kommt Weinen!"
Und auch hier sollte sie wieder mal Recht bekommen.
Auftritt Natalie aka "The Bitch who leapt through time"...
Sie ist nicht nur Sergios Verlobte sondern auch noch die von allen begehrte Knüpferin des Fallstricks der die ganze Inszenierung zum Sturz bringen wird. Diese bis zum Erbrechen übersexualisierte, bondagebegeisterte, masochistische Seiltänzerin ist die Versinnbildlichung des wahrhaften Bösen. Ihr Erscheinen läutet den Niedergang von Iglesias Manegenwitz ein.

Der Sprechkäse mutiert zum Brechkäse. Der Tarantillsiter fängt an zu Riechen. Selten habe ich eine solch enorme Antipathie für eine weibliche Hauptrolle empfunden wie es hier der Fall war.
Nach wenigen Filmsekunden gelingt es ihr die hechelnde Clownswelpe Javier nach vaginaler Art des Hauses abzurichten um ihn gegen den sanften Sarkast Sergio aufzuhetzen.
Sie eleminiert jegliche Form der Dramaturgie und setzt sich sogar über alle zeitlichen Barrieren hinweg die ihren teuflischen Plänen im Weg stehen.

Alex de la Iglesia mutiert zum notgeilen Bock und hüllt die Furie auch noch in die schwülstigsten, unerotischten Bilder die je einer Altherrenfantasie zu entspringen vermochten.
Noch nie zuvor wurde ein Dekoltee mit einer derart manigfaltigen Anzahl andersartiger Kameraeinstellungen ausgespäht. 

Gefühlte  4367 unterschiedliche Wischmobversatzstücke trägt dieses uncharmante Chameläon auf seiner Hauptquadratur und stellt damit ein filmhistorisch wohl unvergleichliches Panoptikum der Perückenpervertierung zur Schau.

Das Perückenphänomen:
Erst ohne den schützenden Wischmob ihres künstlichen Haupthaars,
offenbart sich dem Betrachter das ganze, gemeine ungeschminkte Angesicht
des menschlichen Debakels welches den Namen Carolina Bang trägt...
Mit dem eregierten Taktstab der Regie, bekommt das Weib auch noch vollends den Rücken gestärkt und bugsiert den Lümmel direkt auf die "Fast-Forward" Taste.
Javier´s unterwürfige Liebe, die jähzornige Eifersucht, die blutige Eskalation der Dreiecksbeziehung und einige (bei diesem Handlungs-Einspritzanlagen-Tempo) schwer nachzuvollziehende Wandlungen der Charaktere, werden in wenigen Minuten heruntergerattert und auf die Ständerspitze getrieben.
Das Praktizieren der Seilkunst erleichtert ihr das Flechten eines Handlungsfallstricks ungemein!
Frauenheld Sergio versuchte der "Evil Bitch" anfangs noch mit einigen verzweifelten (Frauenhasser mögen es "uninspiriert" nennen...) Tritten und Schlägen Einhalt zu gebieten, aber selbst er ist gegen einen Beischlafautorisierung des Regisseurs machtlos.
Der mit Vorsicht und Zärtlichkeit gepflanzte Setzling , aus dessen grundsoliden Bestandteilen ("Vollsuff", "Kopfnuss" und "schlechten Witzen"), das innige Pflänzchen einer Jungsfreundschaft zwischen zwei Hampelmännern hätte knospen können, wird von der bösen Unkrauthexe in Grund und Boden gestampft.
Als ob das ganze Erscheinungsbild der Rolle nicht schon ordinär genug wäre schimpft sich deren ätzende Aktrice allen Ernstes auch noch "Carolina Bang" (...wie bitte???)!
Mit einem Rufnamen der Sie zu einem Pornosternchen prädestiniert, wäre durchaus die Chance  auf die entkleidete "leading role" in einem anspruchsvollen Rudelbumsepos drinnen gewesen, leider Gottes aber entschied sich "die Bang" lieber dafür einem vielversprechenden Werk den künstlerischen Garaus zu machen.

Nachdem der unglücklich verliebte, jetzt gar todtraurige Javier, rasend vor Eifersucht, dem armen Sergio ein neues Mimik-Makeover der Marke "Hackfleisch" verpasst hat, fällt er dem Wahnsinn anheim.
Vollkommen nackig flüchtet er in die Wälder und durchlebt eine Umschulung die aus dem tristen Clown einen Kaspar Hauser werden lässt.
Der menschlichen Sprache nicht mehr fähig wird er von vorbeimaschierenden Faschisten eingesackt und zu General Franco´s Schosshund degradiert, ist jedoch nicht fähig die Probezeit zu bestehen.
Stattdessen seift sich der verrückte Kerl lieber selbst mit Bleiche ein und brennt sich mit dem Bügeleisen ein paar lustige Muster auf die Backen.

Wirklich zum Schießen:
Der katholische Knallfrosch Papa Razzi beim Verkünden der frohen Botschaft!

Als deformierter Märchenprinz versucht er  ein letztes Mal bei der bösen "Bang-Bang" zu landen, muss jedoch feststellen das diese, aufgrund seiner hübscheren Gesichtsentstellungen, wieder mit Sergio angebandelt hat. Also besinnt er sich auf Papa´s Papperlapapp-Prophezeiung zurück und versucht den Liebeskummer mit Hilfe eines ausufernden Amoklaufs zu kurieren. Im hysterischen Showdown wird mal schnell an Franco´s Kriegerdenkmal, dem riesigen Kreuz im "Valle de los Caídos" hochgekraxelt um auf dessen Spitze ganz dummdreist King Kong und Tim Burton zu zitieren.
Plötzlich ist Prinzessin Pimperlotte unentschieden, welche der beiden Stimmungskanonen sich ihrer finalen Abseilung würdig erwiesen hat und versucht ein wenig Bedenkzeit herauszuschinden indem sie zusammenhanglos, Liebesbekundungen der Marke "Schüttelspeer" hysterisch vor sich herzitiert.Wenigstens ist das Luder so fair und beendet das wirre Kasperletheater auf die einzig konsequente Art und Weise:
Urplötzlich verkündet sie ihren derzeitigen  Beziehungsstatus der überraschenderweise um eine dritte Person aktualisiert wurde. Somit leistet sie den finalen Offenbarungseid der sich als fieser Plot-Twist allererster Sahne erweist. Die grausame Wahrheit ist von solch enormer Explosivität das sie glatt den fiktiven Handlungsrahmen sprengt um das ganze Drama in  unsere Realität  hinüberzuführen!
Aus dem Anfangs rein professionellen Arbeitsverhältnis zwischen  Actricé (Arschritze)  und Regie wurde schnell "mehr" als nur ein schlechter Film.
Filmemacher und Darstellerin halten Händchen.
Derartig zum Narren gehalten bleibt unseren Lausbuben nichts anderes übrig als sich ihrer Libido zu entledigen und die Waffen zu strecken:
Zwar endet der Film mit einer einprägsam-grandios-grausigen Einstellung, die aber leider auch nicht mehr darüber hinwegtäuschen kann das dieser Zirkus seinen Namen alle Ehre macht:
 
Er ist wirklich das Allerletzte!

"Sie ist wirklich genau mein DING!"
Der Regisseur und sein "DING" lachen dem Publikum ins Gesicht.
Diese Liason ist nichts Geringeres als der Untergang des Abendlandes...

AKT IV:
ANSIC
HTEN EINES CLOWNS
DER TRAURIGE CLOWN BARTELINO STEHT
ALLEINE MOTZEND IN DER MISOGYN-MANEGE

Carolina Bang und Alex de la Iglesia sind seit den Dreharbeiten wirklich ein Paar,
was die spanische Medienlandschaft natürlich ganz verrückt gemacht hat und die Tatsache, das hier die künstlerische Vision einer banalen triebgesteuerten Lolita-Liason Platz gemacht hat, völlig in den Hintergrund drängt. Für Iglesia ist zu hoffen das ihn seine blutjunge Schnalle vorzeitig die Lichter ausvögelt bevor er uns mit einem woody-allenesken Alterswerk, welches die Trennung von seiner blutjungen Nymphe thematisiert, belästigen kann.
Nur wer Zeuge all der vergeudeten Möglichkeiten geworden ist die "THE LAST CIRCUS" zu bieten imstande gewesen wäre, wird verstehen warum hier nur noch zynische Bitterkeit angebracht werden kann.
Leider habe ich heute nicht ausreichend Clown gefrühstückt damit ich mir auch nur ansatzweise das aufgezwungenste Lächeln abringen könnte.
Tut mir wirklich leid...
So gern ich dieses gutgemeinte HottenTotten auch lieb haben würde, es wird einfach zu sehr vom regisseurellen Herumgeturtel überschattet.
Aber klar,... das Fantasy Filmfest wird kommen, steht sozusagen schon vor der Tür, und bis dahin wird diese ganze schandhafte Schose zu einem selbstgefälligen Selbstläufer sondersgleichen aufgeblasen worden sein.
Wenn man schon die Geschichte einer Liebe erzählen will die so ergreifend ist das die Protagonisten in den Wahnsinn getrieben werden und bereit sind für diese zu töten, dann sollte man das entsprechende "Objekt der Begierde" auch mit einer Hauptdarstellerin bekleiden die diesen Anforderungen auch gerecht wird.
Carolina Bang mag eine altersgerechte Wichsvorlage sein, jedoch  eine ernstzunehmende oder gar sympathische Schauspielerin in diese Dame hineinzuinterpretieren ist jedoch allenfalls ein schlechter Witz.
Ein Balisto Tristo, eine Art geschmackloser Retorten-Müsli!
Auch trägt Seniora Bang die alleinige Schuld wenn in Zukunft so lautmalerischen Wörtern wie "Bangladesch", "Gang-Bang" oder "Bankier", ein ekelhaft bitterer Beigeschmack anhaftet.
Pfui, Frau Bang...wirklich pfui!
Mögen Sie der Coulrophobie anheim fallen!




Donnerstag, 14. Juli 2011

Possession (1981)



POSSESSION oder "GÖTTLICHE INZUCHT"
Hätte Franz Kafka einen Film gedreht, wäre er weniger blutig als dieser. Fragmentarische Erzählweise und ungewisse Botschaften würden aber vielleicht dem Stil von Andrzej Zulawski entsprechen. In diesem Sinne ist Possession ein Film der verstört, unterhält und am Ende mehr Fragen aufwirft, als Antworten gibt.
"Ich habe nur noch AUGEN für dich, Schatz! Hast du auch welche für mich?"
Im Laufe der Jahre neigt die frustrierte Ehefrau dazu wahnhaft eifersüchtig zu werden.
Wenn derartige Blicke häufiger auftreten, sollte man sich schleunigst nach der Nummer eines Scheidungsanwalts umhören...bevor es zu spät ist!
Der polnische Regisseur hat das geteilte Berlin als Drehort genutzt. Die erste Szene, welche die Berliner Mauer mit einem Schriftzug "Die Mauer muss weg" zeigt, soll Sinnbild für den weiteren Film werden. Es besteht nämlich ein Grenzwall zwischen allen Charakteren - und unüberwindbar zwischen Produzent und Filmpublikum. Die stückchenweise präsentierte Handlung lässt den unwissenden Zuschauer Stück für Stück ahnungsloser zurück. Mag der Betrachter anfangs eine Liebesgeschichte vermuten, glaubt er alsbald sich in einem Gore-Movie zu befinden. Am Ende dominieren dann göttliche Fragestellungen, die - ich weiß nicht - vielleicht gar keine sind.
Können diese Augen lügen? BESTIMMT!
Können diese Blicke töten? AUF JEDEN FALL!
Ist das wirklich die Frau die ich geheiratet habe? SIE SCHAUT GANZ DANACH AUS!
Eine Inhaltsangabe erscheint schwer. Anfangs kehrt Mark aus irgendeinem lang andauernden Arbeitsverhältnis zurück, um die kaputte Beziehung zu seiner Frau Anna verdammt schlecht zu verkraften. Diese schläft nämlich nicht nur mit dem Megafreak Heinrich, sondern mag auch den sexuellen Kontakt zu einem weiteren mysteriösen und schleimigen Kerl. Mark, der nicht nur durch einen Sohn sondern auch durch etwas anderes (keine Ahnung was) mit dieser Frau verbunden ist, versucht die Beziehung zu retten, findet SICH letztendlich aber in einem Zusammenbruch der Welten wieder.

Als SIE nach einem langen, anstrengenden Einkaufsbummel auf dem Nachhauseweg war und feststellen musste, dass SIE ausgerechnet das Toilettenpapier vergessen hatte,
verlor SIE vollkommen den Verstand, wurde hysterisch und ließ sich einfach gehen...
Das wenige eindeutig festzumachende an diesem Film dürften die schauspielerischen Leistungen und die Kamerafahrten sowie -Einstellungen sein. Isabelle Adjani als Anna gibt eine "Wahnsinns"-Performance ab, die so abgefahren ist, dass ich aus diesem Film eine Angst vor Frauen mitgenommen hab.
Die ebenfalls körperliche/seelische Nicht-Alltäglichkeit von Sam Neill als Ehemann Mark nahm mir dann das verbliebene Vertrauen in die Menschheit. Verstört und neugierig sah ich mir dann den restlichen Film an, um von den nervös machenden, sowie anstrengenden Kamerarundfahrten und beängstigenden Nahaufnahmen endgültig den Boden unter den Füßen weggezogen zu bekommen. In Embrionalstellung lugte ich auf den Fernseher um wenigstens etwas Aufklärung zu erhalten - diese Sehnsucht wurde aber blutig niedergeschlagen.
Bei einer Interpretation kann ich mir so einiges erlauben, da der Film extrem viel Spiel(platz)raum bietet. Daher heute mal ganz anders:

(ACHTUNG! SPOILING POINT AHEAD!)
Als Mark einen nicht ganz sauberen Job im Ausland verrichtet, ist seine Frau Anna mit dem Nachwuchs in Berlin zurückgeblieben. Ungewiss ob ihr man lebend oder tot, frei oder in Handschellen, vielleicht sogar gar nicht nach Hause kommt, lernt sie auf einer Hippie-Party den Esoteriker Heinrich kennen. Aufgrund seiner „offenen Art“ hielt sie ihn zuerst für schwul und ließ ihn nahe an sich ran. 
Junge Männer sind vor der Angst des sexuellen Versagens geradezu bessen!
"Ist ER auch lang genug für SIE? Befriedige ich SIE damit auch auf fachgerechte Art und Weise?
Mache ich ES überhaupt richtig und warum starrt SIE so gelangweilt an die Decke?"

Dabei ist der modernen Frau die Penisgröße längst egal geworden. Hier gilt die uralte Faustregel:
Nicht die Schlauchlänge ist entscheidend, sondern wie weit und wohin ich damit spritzen werde!

Sie merkte es gar nicht, wie schnell Heinrich eine Gehirnwäsche vollzogen hatte um in sie „einzudringen“ - in jeglicher Hinsicht. Doch bedeutender als der Sex, war das Mental-Coaching. Anna entdeckte in sich eine göttliche Ader, die sie durch Abkehr von ihrer Familie, füttern konnte. Sie brachte es sogar so weit, dass das ehemals unbemerkte zu etwas „greifbarem“ wurde und sich dazu entschloss in einer Unterführung zur Welt zu kommen. Dies sollte Annas schmutzigster Tag werden…

Das etwas will nämlich nicht nur gesäugt werden, es will die Mutter auch ‚inzuchtieren‘. Während es sich also von Mamas Feuchtigkeit sowie von humanem Frischfleisch ernährt, kommt Mark nach Hause und bemerkt das etwas schief läuft. Das führt zuerst zu einem Streit mit Anna, dann zu einem extremen Rausch. Nach drei Wochen reinster Abdichtung verlernt er das Sprechen. Doch die Neugier nach dem Seitensprung seiner Frau, bringt ihn auf die Beine und zu frischen Klamotten. Er sucht Heinrich findet ihn, wird angeschwult und ist nicht mehr sauer. Dann – als Brüder im Geiste – finden sie heraus, dass der wahre Seitensprung jemand anderes ist. 

SIE steht wirklich total auf den Schlauch!
Da SIE nicht im Geringsten mit dem Originalrezept vertraut war, endete schon die Zubereitung der frischen Calamares in einer riesigen, ekelhaften Schweinerei. SIE hatte jedoch Glück im Unglück:
Der Anblick der sich ihrem hungrigen Ehemann bot, sah zumindest nach "Tintenfisch ringen" aus!

Ab diesem Zeitpunkt nimmt der Film an Fahrt auf. Anna dreht durch, da „IT“ schon erwachsen ist und immer mehr Nahrung (…) braucht. Gleichzeitig hat Anna - durch Heinrichs Esoterik-Kurs – zu tief in ihr (inneres) Glas geschaut und beginnt mit der Kamera zu sprechen. Dies klingt ähnlich den ersten Sven Väth Interviews nach der Loveparade Premiere. Mark findet heraus was in Berlin so abgeht und versucht die dunkle Seite seiner Frau zu verstecken. Doch keine Chance, ehe er sich versieht, hat die dunkle Seite seine Klamotten an und schaut sogar aus wie er selbst. Hat Anna seinen Gegenpart geboren?

(...SPOILING POINT SAFELY PASSED...)

DIAGNOSE:
Der Film ist etwas für ein experimentierfreudiges Publikum. Ein wahrer Midnight-Movie. 
Das Göttlich-Theoretische hält sich hier mit Blut und Schleim die Waage.
Für Möchtegern-Philosophen sind vereinzelt tiefgründige Thesen enthalten; Kafka-Leser könnten sich an Interpretationen der Handlung abarbeiten. Doch herausragend ist die schauspielerischen Leistungen, weswegen zum Beispiel Isabelle Adjani auf dem Cannes Film Festival als Megapsychopathin ausgezeichnet worden ist. Wer einen Film sehen will, der ihn noch ein Weilchen beschäftigt, kann gerne ein Verwirrung wagen...


Mittwoch, 13. Juli 2011

The Elephant Man (1980)


THE ELEPHANT MAN
(oder "FOUNDATION OF SOCIAL NETWORKING")

Was ist denn passiert? Diesmal nicht im Film, sondern in meinem Leben. Wie konnte dieses Meisterwerk nur so lange an mir vorbeigegangen sein? Tiefe Depression, als Folge unseres Nicht-Freunde Status. Nun gut, für die lange Zeit, in welcher der Streifen sich mir entzog, werde ich nun entschädigt: die grandios geschossenen Bilder, das ergreifende Schauspielerkino und die ewig gültige Botschaft werde ich nie vergessen. Welch Seele-Lynchendes Kino!

HISTORISCHE ANKERPUNKTE

Der Elefantenmensch ist ein außergewöhnlicher Kerl in den Mittzwanzigern. Aufgrund von extrem wuchernden Tumoren, ist er auch ein lukrativer Besitz für seinen Eigner, Mr Bytes, dem unangenehmen, profitgierigem Inhaber einer Freak Show. Die Stadt London will seinen Einwohnern den grausamen Anblick ersparen und verwehrt dem (Zur-)Schausteller die weitere Vorführung vom hässlichen Entlein. Die Schaulustigen finden das gar nicht gut und äussern ihren Unmut durch laute dislikes. Weil im 19. Jahrhundert das gesellschaftliche Leben in der Gosse stattfindet, passiert auch der junge und motivierte Doktor Treves den Gassen-Tumult. Sein akademisch ausgebildeter Voyeurismus treibt seine Neugier und er fragt nach einem Termin zur Exklusivvorführung.

Dr. Treves ist schwer betroffen vom Antlitz des
Elefantenmenschen. Gleichzeitig treibt dessen
mengenmäßig hoher, aromatisch intensiver Gas-
Ausstoß, dem Arzt die Tränen in die Augen.
Schon bald kann Treves die Auswüchse des Elefantenmenschen begutachten und verliebt sich sofort. Ihn begeistert nicht nur der alternative Charakter dessen Anatomie. Zusätzlich sieht er die Möglichkeit in seiner Mediziner-Clique beliebter zu werden und mehr friends zu erhalten. Folglich wünscht er sich nun selbst die Besitzrechte am Freak, aber Bytes hat keinen Bock auf den Business Plan. Erst als der Elefantenmensch anfängt zu husten, wird ihm die Taxifahrt zum Krankenhaus gewährt. Dort bekommt er ein eigenes (Gefängnis-)Zimmer und die volle Aufmerksamkeit des Doktors, sowie des Krankenhauspersonals. Seine Freundesanzahl steigt schneller als die von Mark Zuckerberg.  Während Treves medizinische Forschung betreibt, bemerkt er, dass das Monster noch weit mehr kann als sich lediglich zu drehen oder zu atmen. Mit der Zeit beginnt er zu sprechen und verrät sogar seinen Namen: John Merrick. Nachdem er über seine grausamen Lebensumstände und minimalen Hygienepraktiken erzählt hat, fängt er an intellektuell zu sein. In dem - ehemals für debil eingestuften - jungen Mann, steckt anscheinend ein vornehmer Gentleman, mit liebevoller Hingabe, außerordentlichem Feingefühl und einem Fable für einen Promi der damaligen Pronoindustrie, welche früher auch als Theater bekannt war.

Während die augenscheinlichen Gutmenschen versuchen, ihm ein angemessenes Leben zu ermöglichen, fällt auf, dass auch sie Teil der kritisch gesehenen Gesellschaft sind. Sie handeln auch selber nach dem Prinzip des Eigennutzens, dies zumindest unterbewusst. Dem menschlichen Elefant werden nur Verhaltensweisen oder Lebensumstände (so genannte Postings) gewährt, die zur Zielerreichung der jeweils autorisierten Person dienen. Als die Guten dies bemerken - vor allem durch Dr. Treves Reflexionen - nimmt aber das Schicksaal seinen Lauf und die freaky Freiheit nimmt zu, nimmt ab, nimmt zu... Am Ende des Filmes gibt es dann eine Entschädigung für die gut gemeinten, aber gegenteilig wirkenden Handlungen jener Retter und der Elefantenmensch kann sich glücklich zurücklehnen.

KULISSE

London im 19. Jahrhundert - damals, als es noch keine Farben gab - breitete sich die Industrie immer mehr in der Gesellschaft von Jägern und Sammlern aus. Man wusste noch nicht, dass produktionsbedingt Maschinenlärm, Dampf und Depression entsteht und später zu einer Industrial Techno Musikszene führen würde. So waren damals, im Unterschied zur Moderne und den uns heute bekannten Geschäfts/Industriegebieten, die Produktionsanlangen in der Stadt und ihren kleinen Gassen verstreut.
Die Menschen lehren ihren Nachtbecher in die Strassen und wippen simultan mit dem Fuss zu monotonen Geräuschen von aufeinander klatschendem Metall, sowie geöffneten Druckventilen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war die gesellschaftliche Stimmung genauso schön, wie die Atmosphäre auf der After Hour eines Hardcore Techno Events. Damit lässt sich vielleicht erklären, warum das breite Volk genau den selben Film schiebt und abgeneigt gegen alles ist, was nicht die gleiche Optik wie sie hat.

"Du kennst mich noch, nicht wahr? Bin jener, als es letzte Nacht geschah.
Du schliefest und ruhtest gar, als es grell blitzte und nackt war ich da."
  - Dr. Treves, der geheimnissvolle Quacksalber...

Freddie Francis (Kameramann) ist in der großen Zeit des Schwarzweiß-Films aufgewachsen und bildet das antike London absolut optimal ab. Der Zuschauer wird wahrlich in die dunkle Umgebung hineingesogen und hat keine Möglichkeit dieser zu entfliehen - die ganze Spieldauer konnte ich zum Beispiel nicht ein Mal Pinkeln gehen, ich kannte mich in dieser Stadt nicht aus.
Das Szenenbild ist so detailliert ausgearbeitet und stimmungsvoll in Szene gesetzt, dass der Film-Zeuge danach problemlos über London Anno 1880 referieren kann. Oder sich nach der Sichtung fragt, wie die Zeit (bis 2011) nur so schnell verfliegen konnte. Wer über keine Zeitreisemaschine verfügt, kann sich relativ kostengünstig eine DVD oder BluRay erstehen und auf diesem Weg, eine Rückversetzung in geistiges Niveau vor Einführung des Internets, gegenseitiger Toleranz und Technicolor, erleben. Insgesamt muss man sagen, wenn der Zuschauer nicht direkt auf die Farbgestaltung achtet, würde ihm vielleicht nicht auffallen, dass der Film lediglich weisse und schwarze Kolorierung nutzt. Da Farb-Facetten systematisch und konzeptionell eingesetzt werden, gewisse Objekte (z.B. graue Elefantenhaut, rotes Blut & Vorhänge) in buntem Glanz, da der Sichtling diese eindeutig koloriert in seinem Kopf abgespeichert hat.

Freddie Francis hat hier grandiose Arbeit geleistet, welche den Film überhaupt erst ermöglicht und auch farbenblinden Zuschauern verschiedenste Farb-Nuancen vorschwindeln kann.


LUKRATIVE HAUPTATTRAKTIONEN

Nachdem Lynch und Francis die Plätze der Aufmerksamkeit herbeigezaubert haben, fehlten noch geeignete Schauspieler, welche die antike Freakshow mit Leben füllen sollten. Im Grunde liefern alle Bezahlten, eine grandiose Leistung ab, dennoch will ich eine Hand voll besonders hervorheben:

1.) ANTHONY HOPKINS
Der Psychopath aus "Silence of the Lambs", musste sein medizinisches Fachwissen ja irgendwo her bekommen. David Lynch bot dem damals noch relativ unbekannten, aber recht imposant aufsteigenden Stern eine Möglichkeit sein Talent zu beweisen und erste anatomische Erkenntnisse zu gewinnen. Hopkins bringt die Gefühlsebene des wohlwollenden, intelligenten Arztes glaubhaft an den Zuschauer und zieht ihn in den Bann von gegensätzlicher Moral. Einerseits benötigte die Medizin, zur damaligen Zeit, noch viele empirische Untersuchungen mit n größer als zwei, andererseits wird der Untersuchte dadurch auch nur zum Objekt von Neugier. Den Wandel, bzw. das innere Erwachen wird so unglaublich gut an den Mann gebracht, dass in mir blanker Hass gegen die Academy aufkocht. Warum wurde Anthony nicht mit dem goldenen Männchen belohnt, warum? Die Academy scheint nur die Angesehenen im Social Web auf ihre Seite locken zu wollen. Wenn ich heute sehe, dass Avatar von James Cameron (dem Action-Barbar, welcher übrigens Alien 2 so kaputt gemacht hat, dass ich über einen neuen Totalzerriss nachdenke) komplett uninnovativ ist und drei Oscars abräumt, sträuben sich mir die Haare. Ok, fair sollte ich sein, Cameron hat natürlich schon eine Story im Film gehabt - nachdem Pocahontas an der Kinokasse Erfolge erzielen konnte, kopierte er das bewährte Konzept. Whatever, sicherlich, auch Lynch oder der Kameramann hätten den Oscar verdient, aber Hopkins ist der Baustein zwischen den Stühlen in diesem Film.


2.) JOHN HURT
John Hurt, der in Alien (1979) erste bedeutende Erfahrungen als Aussenseiter sammeln konnte, spielt auch in diesem Film den bedeutenden Gegenpart zur großen Masse. Während der Spieldauer, war ich am ernsthaften Überlegen, ob die äußere Erscheinung nur Maskerade ist oder Lynch tatsächlich die Leiche des Entarteten zum Leben erweckt hatte. Eine spezielle Szene zeigte mir dann doch noch die Gummi-Masse Herkunft (SPOILER: Der unfreiwillige Besuch im Krankenhaus drückt ihm auf die Lippe, die unnatürlich nachgibt) und ließ mich in Staunen zurück, wie sehr Hurt mit dieser Rolle verschmolzen ist. Den Schmerz den der "Freak" verspürt, kann der Zuschauer nicht nur sehen oder nachempfinden, er schmeckt sogar das Salz der fliessenden Tränen. Eine Performance die in der ersten Hälfte durch gezieltes Understatement überzeugt, in der zweiten Hälfte durch Mitleid.


3.) JOHN GIELGUD / 4.) ANNE BANCROFT
Die beiden Schauspieler zählten schon zu Zeiten der Dreharbeiten zu den eingestandenen und bedeutenden Leinwandgrößen. Entsprechend ihrer historischen Position, übernehmen sie auch in diesem Werk die Dreh- und Angelpunkte der Geschichte. Gielgud spielt den autoritären Krankenhausleiter, dessen Gesichtsausdruck die Entscheidungsgewalt symbolisiert. Der unerschütterliche Blick, der fest an seinen Idealen hält und die ersten Filmhälfte begleitet, wandert in der zweiten Hälfte zwar nicht ab, ändert sich aber hinsichtlich des Ausdrucks der Augen - sie werden zugänglicher und weicher, zeigen eine Charakterentwicklung auf Basis des gesehenen Halbelefanten.
Parallel zur Entwicklung des Krankenhausleiters, verändern sich auch die Ansichten der Mutter aller Krankenschwestern - (Anne Bancroft bzw.) Mrs Krendal. Anfangs noch geschockt, entsetzt und sogar abgeneigt gegen die Gewährung von Krankenhausbehandlungen für den heimlichen Patienten, wird sie im Laufe der Geschichte eine liebevolle und sich kümmernde Leiterin des Krankenpflegedienstes. Ihre Meinung ist ausschlaggebend für das Verhalten, der zahlreichen Pflegekräfte. Nach anfänglichem Geschrei, entsteht Verständnis für den Außergewöhnlichen, am Ende wird aus Mitleid sogar Liebe bzw. Trauer.
Insgesamt repräsentieren diese beiden wichtigen Schauspieler, bedeutende Hierarchie-Positionen im Krankenhaus. Genauso wie das Krankenhauspersonal, durchgeht auch der Zuschauer eine Wandlung - von anfänglicher Skepsis bis hin zu letztlich Verständnis, Mitempfinden und Trauer.

5.) DEXTER FLETCHER




"Nein Otto, lass uns gehen.
Die wollen uns nicht."

- außergewöhnliche Liebe
in Zeiten der

viktorianischen Strenge.
Der kleine Knirps, der Mr Bytes begleitet, steht zwar stets im Hintergrund, allerdings bedeutet sein Auftauchen eine Story-Wendung oder Verfestigung von bedrohlichen Situationen, Meinungen oder Entwicklungen.
Die Schauspielerische Darbietung ist, für das junge Alter, recht ansehnlich. Allerdings steht hier nicht die Leistung im Vordergrund, sondern die potentiell-pädophile Energie, welche die Stimmung zwischen Freak-Show Leiter und Gehilfen zum knistern bringt.
Die Beziehung zu Mr Bytes, hatte starke Auswirkungen auf die Karriere des Jungschauspielers. Hatte er die Lynch-Prüfung noch mit Bravour bestanden, so bedeuteten die daraus resultierenden psychischen Schäden, wesentlich mehr für seine folgende Karriere. In seiner Kindheit geschädigt, boten sich ihm keine Möglichkeiten mehr, Selbstbewusst aufzutreten und große Projekte anzugehen. So siecht Dexter Fletcher dahin und selten erreichen die Filme und Serien, denen er seinen Körper anbietet, gute Bewertungen.
In etwa entspricht dies den Erwartungen von Facebook oder Social Network User, wenn sie die Statusmeldungen ihrer Freunde, auf ergatterte Bekanntschaften  analysieren.
DIAGNOSE

David Lynch's Megafilm zeugt von grandioser Handwerkskunst und ist diesmal nicht so sehr verspult. Der Film ist ein feines Bouquet erlesener Prisen aus Sherlock Holmes, Caspar Hauser und ein bisschen Glöckner von Notre Dam. Detektivarbeit führt zum Objekt, Objekt führt zu Informationen und Informationen zu Verankerung, der Ablehnung Fremder in jeglicher Gesellschaft (und Zeit!).
"Wow, das werden meine Freunde sicher liken."
Alt-Herrenkreise und die Wurzel des Web 2.0.
Die Geschichte um einen entstellten Menschen, dessen Arzt und vieler unangenehmer Zeitzeugen, versetzt den modernen Filmzeugen, in einen Zustand von Mitleid, Furcht und Hoffnung. Sogar Parallelen zur modernen Internet-Generation werden aufgezeigt.
Die Geschichte wird unheimlich gut erzählt, weist extrem bewegende Momente, sowie einnehmende Bilder auf und ist die Reinform einer absoluten Empfehlung für Jedermann.
"...Gassi wir gehen...du Herrchen mir versprochen hast...und nun nur wieder schleppen mich auf convention damit du zeigen mich deinen Nerds... mit denen befreundet du bist..." 

Ein Wort des Patienten: THE ELEPHANT MAN (mp3)

Freitag, 8. Juli 2011

Verschreibungspflichtiges Zelluloid (02) - JULI

"Nicht gerade brandaktuell eure Empfehlungen!" gab mir ein Freund zu bemerken.
Ob neu oder alt, Hauptsache es lässt den Filmgestörten nicht kalt.
Das kritische Arschloch wurde von uns natürlich sofort in den Wald geschickt.
Im Wald ist es nachts auch ziemlich kalt...tolle Überleitung:

COLD FISH (2011)


Für alle Leute die sich gern selbst um ihre Vorfreude bringen, ist jetzt in England via third window films
Shion Sono´s kalter Fisch erschienen.
Wirklich herrvoragend aufgemacht und mit einer zusätzlichen Disc versehen die mit einigen aufschlussreichen Interviews punkten kann, bietet diese Veröffentlichung allerlei Gründe die Wartezeit bis zum Fantasy Filmfest 2011 drastisch zu verkürzen. Hier wird COLD FISH nämlich zum zweiten Mal (nach den NIPPON CONNECTION Filmfestspielen) zu sehen sein.
Meinen Fisch habe ich mir bereits letzte Woche geangelt und mir selbst in einem Bett aus 4 Bieren und reichlich Erdnüssen serviert.
Von dieser bitteren Geschmackserfahrung werde ich berichten sobald ich meine diversen Schreibblockaden überwunden und mich meiner "echten" Arbeit entledigt habe! Aber ich kann schon jetzt getrost Entwarnung geben: Shion Sono hat mal wieder nichts falsch gemacht und kann weiterhin als filmschaffendes, gottgleiches Wesen bezeichnet werden. Oh sole Sono! Ich verneige mein Haupt vor dir!

RUBBER (2010)


Wenn man eine Lehre aus dieser, durch und durch "leeren" Liebesgeschichte, über einen mörderisch telekinetisch begabten Autoreifen namens Robert, der auf der Jagd nach seiner Herzdame mehrere zerfetzte Köpfe hinter sich lässt, ziehen kann dann wohl nur:
"Everything happens for NO REASON!"
Quentin Dupieux der Mensch hinter Mr. Oizo inszeniert in dieser Bremspur von einem Film nichts geringeres als eine leidenschaftliche Homage an die Sinnlosigkeit...
Die wahrlich"abgefahrene" Handlung wird selbst im Film von einer Gruppe Zuschauer aus sicherer Entfernung per Fernglas beobachtet und kommentiert:
"This all just makes no sense!"
Was jedoch als alberner verfilmter Lausbubenstreich anfängt entwickelt sich im Finale zu nichts Geringerem als einem Affront bzw. Angriff gegen die Machenschaften und Methoden der Hollywood Studios...
Nichts ist sinnentleerter als ein mit heißer Luft aufgeblasener Blockbuster...dann doch lieber ein verliebter, psychisch-begabter, köpfe-sprengender Autoreifen im Amokleerlauf!

Das CAPELIGHT RELEASE im schnieken Media-Book ist mal wieder eine Offenbarung:
Blu-Ray, die DVD und der Soundtrack und ein toll aufgemachtes eingearbeitetes Booklet welches Interviews und ein paar schöne Fotos beinhaltet. Absolut verschreibungspflichtig!

BATTLE ROYALE (2000)


Nachdem die limitierte Ausgabe bereits 2010 von ARROW FILMS veröffentlicht wurde und bereits restlos vergriffen ist wurde kürzlich eine Neuauflage releast.
Wem ARROW FILMS noch kein Begriff ist (mir ging es genauso) der sollte sich selbst schleunigst Nachhilfe erteilen! Die Engländer haben einen hervorragenden Geschmack was sich in der Aufmachung ihrer Filme widerspiegelt. Allein aufzuzählen welche Extras und Schmankerl in der Wiederauflage von BATTLE ROYALE stecken, würde unseren kleinen Blog-Rahmen sprengen.
Der Alptraum Ursula von der Leyen´s schlafloser Nächte hat endlich die Behandlung bekommen die er längst verdient hat. Kinji Fukasakus gnadenloser pädagogischer Auftrag erzählt von einer Schulklasse die zum Zwecke drastischer Disziplinierung gezwungen wird an einem grausamen Wettstreit teilzunehmen. Wem damals schon die Bundesjugendspiele ein Gräuel waren der sei vor diesem Film gewarnt:
Fukasakus filmisches Vermächtnis ist ultrahartes Japan-Kino der beschwinglichen Sorte.
Eine Art RUNNING MAN für die schwer erziehbare Jugend.
One dead...41 to go!