Montag, 29. Oktober 2012

Hardware (1990)




Uranes Schrottgeflüster im Ragnarök-Zoo

„Um einen Feuerball rast eine Kotkugel“, konstatierte einst Dadaist Walter Serner in seiner zu Papier gebrachten Panzerfaust-Polemik. Auf jenem Kotkoloss hausen merkwürdige Wesen, die irgendwann auf die glorreiche Idee kamen, sich gegenseitig mit Atombomben und anderen Knallkörpern zu bewerfen sowie übertrieben derb aufzurüsten. Ich nenne das „Globales Pimmelfechten“. Im Kalten Krieg war die Welt vernervöst ob eines gar schrecklichen Gewusels, weil die Roten im Jahre 1957 einen Blechball mit Antennen dran ins All schossen. So kreiste um den Kotklumpen munter eine Fliege, die jedoch irgendwann einfach verglühte, weil sie jenem zu nahe kam. Dem Land der Sternchen und Streifchen ging das gewaltig gegen den Strich, es stürzte gar in die wohl lächerlichste Selbstwahrnehmungskrise aller Zeiten - selbst 5.000 Kalorien am Tag konnten da keine Abhilfe schaffen.

WHERE'S YOUR AMERICAN DREAM NOW?!


Diese Hanutaabziehbildchensammlermentalität zog weite Kreise und formte eine allseits bekannte Faustregel: Im Sandkasten will Klaus in erster Linie Peters himmelblaues Eimerchen haben, weil er sich einbildet, damit schönere Burgen bauen zu können - in Fachkreisen spricht man von der sogenannten "Sandkastenillusion". Jene erweist sich seit jeher als bedeutsamer Aspekt der Urproblematik der Spezies Mensch, von denen aber immerhin ein paar wenige dazu in der Lage sind, den großen Mächtigen ihr Spielzeug wegzunehmen oder aber das auf Zelluloid zu bannen, was allgegenwärtig ist: Die Angst vor dem endgültigen Knall. 

"Ihre Augen stehen aber weit heraus...
Einen Moment, das haben wir gleich."

Analyse
In Richard Stanleys Postapokalypsescharmützel Hardware liegt dieser ein Weilchen zurück. Es war einmal mehr der Mensch, der sich selbst in eine evolutionäre Sackgasse bombte. Die kläglichen Überreste formten stählerne Molochs, die von allerlei merkwürdigen Gestalten besiedelt sind. Vielleicht wurde hier eine Hängebrücke zu Kubricks Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb geschlagen, einem verflucht wichtigen Film über die selbstzerstörerische Natur des Homo Sapiens. Die Weltvernichtungsmaschine ist bekanntlich der Mensch selbst und die Knöpfchendrücker sind allesamt entartete Kreaturen, die "abendländischer Humanismus" nicht einmal buchstabieren können. Und wie es Orson Welles in Carol Reeds The Third Man durchschaut, ist die Membran zwischen Regierung und Bürger eine semipermeable: Ein abgefucktes Oben bedingt ein abgefucktes Unten; wie könnte es auch anders sein...

MENSCH VERBUDDELE DICH NICHT:
Dem Weibe einen Schädel schenken, dabei nur mit dem Phallus denken, sich später das Genick anknacksen, im Angesicht letaler Faxen, das Fleisch pulsiert im Klammergriff, da hilft kein Schrei - da hilft kein Pfiff, M.A.R.K. 13 fetzt sich durch Gedärm, es bersten Knochen - was ein Lärm, die Suppe klatscht an Wand und Boden, es platzen gröblich ein Paar Hoden, ach ließ er doch das Buddeln sein, gut Geld gibts auch als Schneiderlein, und die Moral von der Geschicht', fass' niemals an was dein nicht ist.


Tausendundein Bombenpilz - und es hat Boom gemacht. Die Welt ist getaucht in ein Farbspektrum der Gattung "abgenutzter Bratschlauch". Ein säuerlicher Fallout ist unangenehmer Dauerzustand, der aber nicht verhindern kann, dass in Proto-Outland Gestalten umherirren, die sich vermehren wie die Karnickel. Metropolen platzen aus allen Nähten, die Regierung versucht der Überbevölkerung Herr zu werden und verhängt üble Restriktionen. Wer gegen sie verstößt und allzu inflationär mit seinen Genen um sich ballert, dem werden flugs die Nahrungsmittelrationen gestrichen. Und wie ihr ja alle wisst: Ein leerer Bauch der fickt nicht gern. Sollte dies nichts nützen, wird in Zukunft eine Armee mittelschwerbewaffneter M.A.R.K.-13-Roboter dafür sorgen, dass ein perverses Gleichgewicht herrscht. So werden nicht nur Menschen, die den Samenhahn nicht zudrehen wollen, auf der Abschussliste garstiger Mechanoiden stehen, sondern jeder, der einen Fleischmantel trägt und als überflüssig erachtet wird.

Gestatten Lincoln, der obligatorisch-notgeile Postapokalypse-Fettsack, der beim masturbativen Spannen nicht nur aus jeder Ritze schwitzt, sondern seinen Mundbereich stets glänzend feucht hält.
Dreimal dürft ihr nun raten, was der Verbuddler - anti-method-geacted von Carl Mc Coy, Frontmann der Gothkapelle "Fields of the Nephilim" - zu Beginn des Films in der "Todeszone" zu Tage fördert. Richtig: Einen leicht vergammelten M.A.R.K.-13-Protoypen, dem eine Mine sein Lichtlein ausblies. Eingepackt - mitgenommen - verkauft - verschenkt - angepinselt...ihr kennt den Rest. Abgefahren wie das Teil ist, baut es sich in der Wellblechhütte von Schrottfetischistin Jill in bester Tetsuo-Manier wie von Zauberhand zusammen und "goes apeshit", wie James Rolfe es zu sagen pflegt. Zuvor aber staunt man erstmal nicht schlecht, wenn Möchtegern-Cyborg und Beinahe-Held Moses (er trägt eine Armprothese, die ein wenig an Nintendos Powerglove erinnert) bei Lemmy Kilmister im Wassertaxi hockt und unterwegs ist zu seiner stilecht arrangierten Fickmaus Jill. Dem echten, leibhaftigen Lemmy wohlgemerkt! Der faselt was von "zieh dir mal den geilen Scheiß hier rein" und lässt volles Rohr "Ace of Spades" laufen. Wow! Ob ein horizontales oder vertikales Wow...ich kann mich nicht so recht entscheiden. Und mon dieu, wer spricht da aus dem Radio? Niemand geringerer als Iggy Pop alias "Angry Joe" alias die Stimme der täglich schlechten Nachricht. 

"Wer als Model nichts taugt, der fräst sich eben durch Haut." 
Wenig später heißt es dann: "Willkommen in der Komazone". Stanley lässt gewaltig die Nebelmaschine husten und treibt wilden Schabernack mit allerlei Versatzstücken des Film noir. Sein Quasi-Megaton ist eine biomechanische Masse, die irgendwo im Nirgendwo einsam vor sich hindampft. Da fühlt man sich schon etwas eingepfercht, was ja auch der Sinn der Sache ist. Moses aka Mo entledigt sich erstmal seines Samenstaus im Zuge eines unglaublich in die Länge gezogenen Psychedelicsex-Theaters. Man lässt dabei dezent sein Köpfchen wippen, weil der Soundtrack doch ziemlich klasse ist. Soundmann Simon Boswell drehte alle möglichen Genres durch den Mixer; hier etwas Drone, da ein Quäntchen Ambient, untermischt mit pseudo-orientalischen Klängen, scheppernden Industrial-Loops und der einen oder anderen vor sich hin winselnden E-Gitarre. Sein Mischgerät stellte er zuvor auf "Dissonanz". Wenn man das so hört und auch so sieht, dann merkt man schnell: Der Film ist ganz klar ein Kind der 80er. Diese wohlige Terminator-Tristesse und Mad-Max-Melancholie gepaart mit nippon'scher Robophilie lassen gehörig die Endorphine sprudeln, vorausgesetzt dieser Eintopf schmeckt einem. Denn Man vs. Machine ist das Leitmotiv, mit dem man sich zufrieden geben muss. Hier wird nicht ausgiebig in Meta-Meeren gebadet, bis man ganz faltig ist, sondern man fieberträumt sich durch einen Nicht-Ort, der sich wie ein Gradius'scher Darm um einen hüllt. In ruppigen Animestreifen wie Kôichi Ôhatas Genocyber und M.D. Geist erfüllen sich dann endgültig die Robogore-Träume eines jeden und wer Zeichentrickfilme nicht mag, erfreut sich eben an Blomkamps District 9, auch wenn hier ein Mensch hinterm Knüppel klemmt.     

Auf große Worte folgen hampelige Taten. Noch lacht der Speck-ulatius im Angesicht solch unfreiwilliger Komik. Noch.

Diagnose
Keine Sorge, Norringtons Death Machine bleibt natürlich nicht unerwähnt. Für Bewunderer eben jenen Steifens ist Hardware ein Muss. Dieses herrlich groteske Concertino mit rostig-verfallenem Sujet, angereichert mit etwas Splatter und vernickelt mit wummernden Robo-Subjektiven, lassen das Eisen im Blut vor Freude tanzen. Manches Mal, da schmunzelt man etwas, wenn M.A.R.K. 13 um die Ecke spackt, etwas schrullig sieht er ja schon aus. Aber schrullig ist besser als scheiße und was bei Jeunet funktioniert, tut es auch hier: Irgendwie haben alle einen an der metall- und kabelverzierten Klatsche...und doch schließt man jeden einzelnen ins Herz.   



 

Samstag, 27. Oktober 2012

Ms. 45 (1981)


Die Stummschwätzer
Was wissen Nonnen schon von Liebe?

Nonnen, die auf Totschlag brennen
Weder Geist noch Güte kennen
Wissen schon in jungem Alter

Das Leben ist nichts für Händefalter
Und auch die Liebe ist Quatsch mit Soße
In Männer sollen Löcher, und zwar Große


Thana arbeitet sorgfältig als Schneiderlein. Sie ist stumm und kann gut zuhören. Eigentlich das perfekte Arbeitgeberspitzel. Schon in der Schule hat sie Versuchsmäuse zunächst politisch organisiert und zu einem Streik angeführt, für verbesserte Arbeitsbedingungen, um ihn dann zu brechen. Eine verschwiegene Femme Fatale, ohne den geringsten Kinderwunsch. Was aus ihr alles werden könnte.

Hysterisches Gekreische und panische Schreie aus zahlreichen, öffentlichen Damentoiletten beweisen es: Oft reicht nur ein flüchtiger Blick hinunter, um die speckigen Opferrollen am Körper zu entdecken und vor der eigenen Unbeweglichkeit in Verlegenheit zu geraten. Thana ist aber keine von denen, die freiwillig leiden. Aber mit Sport allein ist es nicht getan.

Dass sie keine Hoffnung hat je zu sprechen und für den Rest ihres Lebens singen werden muss, ist jeden Tag von neuem erschütternd. Nie hat sie sich beklagt, doch langsam verliert sie den Humor: Es ist schon die zweite Vergewaltigung. Dabei ist erst Montag. Eine miese Woche beginnt und bewegt die kämpferische Karrierefrau ihre Religion zu überdenken.

Aus fragwürdigen katholischen Dunstkreisen erreichen uns immer mehr lebensgefährliche theologische Trends:
Laut aktueller Umfrage praktiziert jede dritte Klosterschwester die sogenannte "Bigotte Beichte mit vorgehaltener Waffe". Für viele fanatische Glaubensfrauen ist dieses beherzte Motivationskonzept das letzte Wort in Sachen innerer Frieden und schmälert den Lebensstandart unzähliger Chauvi-Christen.

Das letzte Wort:
Es ist schon erstaunlich, wie wenig Geschlechter doch zählen, wenn eine geladene Handfeuerwaffe ins Spiel kommt. Thana hat ja wirklich keinen Grund sich unbegehrt zu fühlen. Aber nur Sex ohne Liebe macht nicht glücklich und sie weiß auch was fehlt. Die Einsamkeit kommt vom ewigen Schweigen. Vom stillen analysieren, im isolierten Angstkopf. Niemand flüstert ihr leise Losungsworte zu. Also beginnt sie autodiktatorisch eine neue Sprache zu sprechen. Die 45er Magnum. Und schon findet ihr Gejodel Beachtung, weil sie einen Mann nach dem Anderen mit ihrem Sprachrohr pökelt. Warum auch nicht? Was schuldet sie ihnen denn?

Thana zwingt uns all die Rapepartys, die man an ihr verbrochen hat einzugestehen. Was gegen Kerle, die mit der Hüfte denken, anfangs noch als das einzig Richtige erscheint, wird irgendwann zum durchtriebenen Festgelage. Und als dann die Rechnung kommt, gibts jede Menge Ärger.


ANALYSE:
Abel Ferrara ist die vergessene Lichtgestalt der Szene. Sein REPULSION-Exploiter ekelt New York an ein Ende, das sich wohl niemand wünschen würde. Gezeichnet in einer Zeit, in der die Menschen nur verbrannte Erde hinterließen und noch keiner den Earth Song kannte. Hier ist der Ort, an dem wir die "DEATH WISH"-Lügen ertragen müssen.

 
Ausgleichende Ungerechtigkeit:
Irgendwie empfindet unsereins ja Verständnis für Frauen, die sich dem Hass nicht entziehen. Es scheint schon aussichtslos, mit der Fremdbestimmung. Dabei hätten Frauen den längeren Dildo. Ohne Frauen müssen Männer auf universale Geschlechtsorgane umsteigen, wie Anus. Aber leider tut mein Arsch so weh. Eine Idiotie, diese Arschfickerei. Bleibt nur zu hoffen, dass mehr Frauen wie Thana in der Unterwelt Fuß fassen können, damit die Frauenquote in Haftanstalten weiterhin steigt.

DIAGNOSE:
Das schillernd komponierte Discofinale geht trotz Slo-Mo-Apokalypse direkt ins Herz, obwohl der Racheengel mit seiner heiligen Mission nicht an Gerechtigkeit, sondern einem Massaker interessiert ist. Oder vielleicht gerade deshalb. Es ist nämlich genau diese eisige Entschlossenheit, voller Tatendrang gegen das Gesetz zu verstoßen, die diesen Film so sexy macht. Und so schwer wie einen Sarg, der in den Boden sinkt.

Der Mensch - Die Menschin
Was haben wir gelernt? Ein neuer Mensch muss her! Einer, der den Gendercrash in sich selbst vereint. Der alle nuckeln lässt und nicht immer die letzte Strenge der asexuellen Tristess als Liebeslösung anbietet. Wie will eine Nonne denn dabei helfen? Ob Männlein, ob Weiblein, wie viele - ist völlig egal. Nur ganz ohne geht eben nicht, denn wir brauchen einander, notfalls zeitgleich, also wischt die Spinnweben aus der Hose. Emanzipation ist eine noble Sache. Es muss nämlich was getan werden. Muschis sind Tatsachen.