Samstag, 18. Juni 2011

The Tunnel (2011)

The Tunnel (oder "FUCKING CREEP!")
 
Das unterirdische Tunnelsystem Sydneys ist ein wahres Labyrinth. Für hinzukommende Bahnlinien wurden die Tunnel erweitert, umgebaut und letztendlich auch öfters vergessen. Ein solches Szenario zieht nicht nur Landstreicher an, es eignet sich auch hervorragend für einen Horrorfilm. Nachdem Carlo Ledesma bereits erfolgreich an der Dokumentation Food Matters beteiligt war und die Röhrensysteme des Humankörpers untersuchen konnte, ist nun die Großstadt dran - mit beangstigenden Folgen!

Innereien:
Die Geschichte beginnt mit Plänen um ein Wasseraufbereitungsprojekt, da die Wasserreservoire rapide schwinden. Politiker verkünden die ungenutzten Tunnel im Untergrund als Wasserspeicher und Aufbereitungsanlage zu nutzen, um damit die feuchte Infrastruktur wieder gewährleisten zu können. Doch nachdem die Story zuerst die Medien und das allgemeine Gespräch beherrschte, wird sie danach totgeschwiegen und die Verantwortlichen wollen nichts mehr dazu sagen. Es kursieren Gerüchte, dass Obdachlose in den dunklen Stollen verschwinden und das Untergrundsystem etwas gefährliches beherbergt. Wer weiss, wer weiss...
Auf raffinierte Art und Weise versteht es THE TUNNEL
aktuelle urbane neumodische Angst-Trends in seine Handlung einzubinden...
(z.B.: die "U-Bahnophobie" - die Angst vor Übergriffen beim Warten auf öffentliche Verkehrsmittel)

Als Aufklärungsarbeit eignet sich eine unanbhängig gefilmte Tunnelbesichtigung natürlich am besten und das Journalisten Team um Natasha beschliesst (illegal) in das System einzudringen. Doch kaum haben sie sich ausreichend von der zivilisierten Oberfläche entfernte, beginnt der Creep. Sie versuchen die Vorkommnisse möglichst gut auf Zelluloid zu bannen, bis Teile der Ausrüstung - Mensch & Maschine - liegen bleiben.

Bauplan:
Ledesma haut mit diesem Machwerk, der Internetcommunity die Stützpfeiler aus dem Hirn. In seiner Mockumentary zeigt er den Abstieg einer Journalistencrew in die Tunnelsysteme auf erschreckend realistische Art und Weise - bis zum Finale sogar weitestgehend ohne die störende Wackelei unfähiger Found Footage Regisseure. Dies wahrscheinlich aus Gründen des Realismus - wer würde sich nicht verarscht vorkommen, wenn ein professionelles Kamerateam beim drehen wackelt? Zusätzlich ist dies die erste Found Footage Dokumentation, die nicht komplett durchläuft sonder von Interviews der Beteiligten unterbrochen wird. Diese reflektieren einerseits Gesehenes, andererseits treiben sie die Story voran. Auch schenken sie dem Zuschauer ein paar wertvolle Verschnauf-Sekunden. Dem überdurchschnittlich Intelligenten Zuschauer könnte auch auffallen, dass nicht das ganze Journalisten Team Interviews gibt. Da die gefilmte Befragung erst nach den Ereignissen im Untergrund passiert ist, könnte das so einiges bedeuten... muss aber nicht.

Der Cast besteht weitestgehend aus unbeschriebenen Blättern die dennoch eine gelungene Performance hinlegen. Entweder gut gespielt oder gerade aus der Unerfahrenheit heraus, wirkt die Darstellung ziemlich real, auch weil glücklicherweise (!) keine Highschool Girlies zu Schaden kommen. Die Reaktionen scheinen stets nachvollziehbar-panisch und erlauben eine gute Identifizierung mit den Charakteren.
STILBLÜTEN DER ANGST: DIE UNGEWISSHEIT
"In der dunklen und verrauchten Diskothek,

dachte ich eigentlich, daß alle Grabscher Frauen wären..."
Der Film selbst spielt mit den Uhrängsten des typischen agoraphoben Internetnerds, also der breiten Masse der heutigen Gesellschaft: beim Heben eines Geocaches im großstädtischen Untergrund, könnten Suchende von betrunkenen Obdachlosen angepinkelt und um Kleingeld erleichtert werden, doch - oh Schreck - die Gefahr ist wesentlich größer. Jeder der schon mal in einem Stollensystem auf einen Lichtstrahl eines degenerierten Laserschwerts (Taschenlampe) angewiesen war, weiss nur zu gut, dass der Strahl gerade aus geht und die Gefahren seitlich oder hinter einem im Dunklen lässt. In einem Horrorfilm springt also das Böse aus eben diesen Schatten und verschlingt den Oberkörper des Hauptdarstellers... oder doch nicht?
AUGEN ZU UND DURCH:
Nur die Nachtsichtkamera des Diskothekeninhabers,
konnte die traurige, höchst beklemmende Wahrheit ans Licht bringen.
Dieser Film ist zumindest für mich wesentlich heftiger als REC oder THE DESCENT, mit denen er verglichen wird. Man findet nie wirklich heraus, wer oder was genau das Böse ist, während sich die Begegnung immer mehr anbahnt. Die Schockmomente halten sich in Grenzen und der Nervenkitzel ergibt sich nicht aus bekacktem Monstergeschrei (deswegen volle Punkte bei Bewertung! ;) ) oder spritzendem Blut, sondern aus Spannung und Ungewissheit.
Aber weil sich das ganze blöde anhört nenne ich es mal Suspense!

Marketing:
Völlig atypsich, kommt dieser Film nicht erst ins Kino, dann auf DVD/Blu-Ray, dann auf eine Blu-Ray Sonderedition, dann auf eine Blu-Ray Spezial Sonderedition, dann auf eine Spezial Blu-Ray Spezial Sonderedition... Nein! Paramount geht hier einen anderen Weg. Nachdem der Film über virales Marketing im Internet angekündigt worden ist, konnte man den Streifen kostenlos und ganz legal über Bittorrent runterladen. Finanziert werden soll das Projekt schließlich durch den Verkauf von Film-Frames, DVDs und Merchandise Artikeln. Man muss schon sagen, dass dies ein mutiger Schritt war, innovativ und hoffentlich auch gewinnbringend. Wir werden sehen wieviele Menschen einen Breitbandanschluss haben, Englisch (zumindest aktuell nur so verfügbar) sprechen und Lust auf Horrorfilme haben. Ich auf jeden Fall besitze 5 Frames dieses Filmes, bin extrem stolz drauf und verkaufe sie gerne für den dreifachen Preis weiter...


Diagnose:
Carlo Ledesma ist sicherlich ein klasse Schocker gelungen. Definitiv erfüllt der Film jeden Geocacher,  Bahnhofsjunkie, oder Abenteurer mit einem Trauma, welches die geliebten Beschäftigungen wenigstens einschränken wird. Hat Blairwitch Project vielleicht dem ein oder anderen pädophilen Wald-Nachtläufer den Spass verdorben, so könnte The Tunnel das Ende des städtischen Untergrunds für alle bedeuten.
Dieser Streifen ist eine absolute Empfehlung für alle eingefleischten Horrorfans, die sich gerne mal an Found Footage erfreuen oder - ganz einfach - kein Geld haben um Filme zu kaufen.


2 Hasst uns! Beschimpft uns! Lasst es raus!:

Schmalzlerfranzl hat gesagt…

Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen! Trau mich seither nicht mehr in die Ubahn! ;)

Bartel - Der Dranzer hat gesagt…

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