Uranes Schrottgeflüster im Ragnarök-Zoo
„Um einen Feuerball rast eine Kotkugel“, konstatierte einst Dadaist Walter Serner in seiner zu Papier gebrachten Panzerfaust-Polemik. Auf
jenem Kotkoloss hausen merkwürdige Wesen, die irgendwann auf die glorreiche
Idee kamen, sich gegenseitig mit Atombomben und anderen Knallkörpern zu bewerfen sowie übertrieben derb
aufzurüsten. Ich nenne das „Globales Pimmelfechten“. Im Kalten Krieg war die
Welt vernervöst ob eines gar schrecklichen Gewusels, weil die Roten im Jahre 1957 einen
Blechball mit Antennen dran ins All schossen. So kreiste um den Kotklumpen munter eine Fliege, die jedoch irgendwann einfach verglühte, weil sie jenem zu
nahe kam. Dem Land der Sternchen und Streifchen ging das gewaltig gegen den Strich, es stürzte gar in die wohl lächerlichste Selbstwahrnehmungskrise aller Zeiten - selbst
5.000 Kalorien am Tag konnten da keine Abhilfe schaffen.
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WHERE'S YOUR AMERICAN DREAM NOW?! |
Diese Hanutaabziehbildchensammlermentalität zog weite Kreise und formte eine allseits bekannte Faustregel: Im Sandkasten will Klaus in erster Linie Peters himmelblaues Eimerchen haben, weil er
sich einbildet, damit schönere Burgen bauen zu können - in Fachkreisen spricht man von der sogenannten "Sandkastenillusion". Jene erweist sich seit jeher als bedeutsamer Aspekt der Urproblematik der Spezies Mensch, von denen aber immerhin ein paar wenige dazu in der Lage sind, den großen Mächtigen
ihr Spielzeug wegzunehmen oder aber das auf Zelluloid zu bannen, was allgegenwärtig ist: Die
Angst vor dem endgültigen Knall.
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"Ihre Augen stehen aber weit heraus... Einen Moment, das haben wir gleich." |
Analyse
Diagnose
In Richard Stanleys Postapokalypsescharmützel Hardware liegt dieser ein Weilchen zurück. Es war einmal mehr der Mensch, der sich selbst in eine evolutionäre Sackgasse bombte. Die kläglichen Überreste formten stählerne Molochs, die von allerlei merkwürdigen Gestalten besiedelt sind. Vielleicht wurde hier eine Hängebrücke zu Kubricks Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb geschlagen, einem verflucht wichtigen Film über die selbstzerstörerische Natur des Homo Sapiens. Die Weltvernichtungsmaschine ist bekanntlich der Mensch selbst und die Knöpfchendrücker sind allesamt entartete Kreaturen, die "abendländischer Humanismus" nicht einmal buchstabieren können. Und wie es Orson Welles in Carol Reeds The Third Man durchschaut, ist die Membran zwischen Regierung und Bürger eine semipermeable: Ein abgefucktes Oben bedingt ein abgefucktes Unten; wie könnte es auch anders sein...
Tausendundein Bombenpilz - und es hat Boom gemacht. Die Welt ist getaucht in ein Farbspektrum der Gattung "abgenutzter Bratschlauch". Ein säuerlicher Fallout ist unangenehmer Dauerzustand, der aber nicht verhindern kann, dass in Proto-Outland Gestalten umherirren, die sich vermehren wie die Karnickel. Metropolen platzen aus allen Nähten, die Regierung versucht der Überbevölkerung Herr zu werden und verhängt üble Restriktionen. Wer gegen sie verstößt und allzu inflationär mit seinen Genen um sich ballert, dem werden flugs die Nahrungsmittelrationen gestrichen. Und wie ihr ja alle wisst: Ein leerer Bauch der fickt nicht gern. Sollte dies nichts nützen, wird in Zukunft eine Armee mittelschwerbewaffneter M.A.R.K.-13-Roboter dafür sorgen, dass ein perverses Gleichgewicht herrscht. So werden nicht nur Menschen, die den Samenhahn nicht zudrehen wollen, auf der Abschussliste garstiger Mechanoiden stehen, sondern jeder, der einen Fleischmantel trägt und als überflüssig erachtet wird.
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Gestatten Lincoln, der obligatorisch-notgeile Postapokalypse-Fettsack, der beim masturbativen Spannen nicht nur aus jeder Ritze schwitzt, sondern seinen Mundbereich stets glänzend feucht hält. |
Dreimal dürft ihr nun raten, was der Verbuddler - anti-method-geacted von Carl Mc Coy, Frontmann der Gothkapelle "Fields of the Nephilim" - zu Beginn des Films in der "Todeszone" zu Tage fördert. Richtig: Einen leicht vergammelten M.A.R.K.-13-Protoypen, dem eine Mine sein Lichtlein ausblies. Eingepackt - mitgenommen - verkauft - verschenkt - angepinselt...ihr kennt den Rest. Abgefahren wie das Teil ist, baut es sich in der Wellblechhütte von Schrottfetischistin Jill in bester Tetsuo-Manier wie von Zauberhand zusammen und "goes apeshit", wie James Rolfe es zu sagen pflegt. Zuvor aber staunt man erstmal nicht schlecht, wenn Möchtegern-Cyborg und Beinahe-Held Moses (er trägt eine Armprothese, die ein wenig an Nintendos Powerglove erinnert) bei Lemmy Kilmister im Wassertaxi hockt und unterwegs ist zu seiner stilecht arrangierten Fickmaus Jill. Dem echten, leibhaftigen Lemmy wohlgemerkt! Der faselt was von "zieh dir mal den geilen Scheiß hier rein" und lässt volles Rohr "Ace of Spades" laufen. Wow! Ob ein horizontales oder vertikales Wow...ich kann mich nicht so recht entscheiden. Und mon dieu, wer spricht da aus dem Radio? Niemand geringerer als Iggy Pop alias "Angry Joe" alias die Stimme der täglich schlechten Nachricht.
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"Wer als Model nichts taugt, der fräst sich eben durch Haut." |
Wenig später heißt es dann: "Willkommen in der Komazone". Stanley lässt gewaltig die Nebelmaschine husten und treibt wilden Schabernack mit allerlei Versatzstücken des Film noir. Sein Quasi-Megaton ist eine biomechanische Masse, die irgendwo im Nirgendwo einsam vor sich hindampft. Da fühlt man sich schon etwas eingepfercht, was ja auch der Sinn der Sache ist. Moses aka Mo entledigt sich erstmal seines Samenstaus im Zuge eines unglaublich in die Länge gezogenen Psychedelicsex-Theaters. Man lässt dabei dezent sein Köpfchen wippen, weil der Soundtrack doch ziemlich klasse ist. Soundmann Simon Boswell drehte alle möglichen Genres durch den Mixer; hier etwas Drone, da ein Quäntchen Ambient, untermischt mit pseudo-orientalischen Klängen, scheppernden Industrial-Loops und der einen oder anderen vor sich hin winselnden E-Gitarre. Sein Mischgerät stellte er zuvor auf "Dissonanz". Wenn man das so hört und auch so sieht, dann merkt man schnell: Der Film ist ganz klar ein Kind der 80er. Diese wohlige Terminator-Tristesse und Mad-Max-Melancholie gepaart mit nippon'scher Robophilie lassen gehörig die Endorphine sprudeln, vorausgesetzt dieser Eintopf schmeckt einem. Denn Man vs. Machine ist das Leitmotiv, mit dem man sich zufrieden geben muss. Hier wird nicht ausgiebig in Meta-Meeren gebadet, bis man ganz faltig ist, sondern man fieberträumt sich durch einen Nicht-Ort, der sich wie ein Gradius'scher Darm um einen hüllt. In ruppigen Animestreifen wie Kôichi Ôhatas Genocyber und M.D. Geist erfüllen sich dann endgültig die Robogore-Träume eines jeden und wer Zeichentrickfilme nicht mag, erfreut sich eben an Blomkamps District 9, auch wenn hier ein Mensch hinterm Knüppel klemmt.
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Auf große Worte folgen hampelige Taten. Noch lacht der Speck-ulatius im Angesicht solch unfreiwilliger Komik. Noch. |
Diagnose
Keine Sorge, Norringtons Death Machine bleibt natürlich nicht unerwähnt. Für Bewunderer eben jenen Steifens ist Hardware ein Muss. Dieses herrlich groteske Concertino mit rostig-verfallenem Sujet, angereichert mit etwas Splatter und vernickelt mit wummernden Robo-Subjektiven, lassen das Eisen im Blut vor Freude tanzen. Manches Mal, da schmunzelt man etwas, wenn M.A.R.K. 13 um die Ecke spackt, etwas schrullig sieht er ja schon aus. Aber schrullig ist besser als scheiße und was bei Jeunet funktioniert, tut es auch hier: Irgendwie haben alle einen an der metall- und kabelverzierten Klatsche...und doch schließt man jeden einzelnen ins Herz.